Ein weiteres Jahr ist vorbei, ein weiteres Jahr will abgeschlossen werden. Diesmal habe ich mich dazu entschlossen, Alben und Tracks in einen Post zu fassen, und nur über die Alben ein paar Zeilen zu schreiben und die Liste mit den Tracks mehr als Bonus nachzureichen. Das ist dem Stress zwischen den Jahren geschuldet und der Tatsache, dass – gerade da ich die Tracks-Liste auf eine Top 20 ausgebaut habe – vieles, was über die Tracks gesagt werden müsste, bereits bei den Alben gesagt ist. Die Alben gibt es im Countdown, gegen Ende des Posts gibt es die Album-Liste noch einmal im Überblick sowie die Liste mit den Tracks. Regeln wie immer: Keine Live-Alben, keine Compilations, keine Archiv-Releases. Nur reguläre Studio-Alben. Here we go:
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10. Future Bible Heroes – Partygoing
Auf dem dritten Album seiner – chronologisch gesehen – vierten Band betreibt Stephin Merritt mit Hilfe Christopher Ewens die Rückkehr zum Synthesizer, die auf dem letzten Magnetic Fields-Album trotz Ankündigung ausblieb. Außerdem wieder stärker vertreten: schwarzer Humor und die Suche nach der Komödie im Drama, zuletzt in dieser Ballung zu finden auf Merritts Songbeiträgen zu den Lemony Snicket-Audiobüchern.
Keytracks: Living Loving Partygoing, Let’s Go to Sleep (and Never Come Back), All I Care About Is You
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09. Yo La Tengo – Fade
Unbeeindruckt davon, dass die Intimität, die sie bereits 2000 mit ihrem besten Album And Then Nothing Turned Itself Inside-Out entdeckt hatten, 13 Jahre später der Leitfaden für Musik der verschiedensten Zielgruppen geworden ist (freilich eine Entwicklung unabhängig vom Schaffen des Trios aus New Jersey), legten Yo La Tengo dieses Jahr mit Fade eine weitere Perle gefüllt mit sympathischen Songs und verspielten, spartanischen Arrangements vor.
Keytracks: Is That Enough, Cornelia and Jane, Stupid Things
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08. Tegan and Sara – Heartthrob
Mit den besten Hooklines des Jahres umarmen Tegan and Sara auf ihrem siebten Album den Pop abseits vom Indie-Schick. Heartthrob schiebt die klassisch teenagernahen Themen Liebe, Identität und Intimität eine Altersklasse nach oben. Twen-Pop anyone?
Keytracks: Closer, I Was a Fool, Shock to Your System
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07. Maya Jane Coles – Comfort
Raffiniert spärlich arrangiert bastelt die englische Produzentin Maya Jane Coles Tracks, die unaufdringlich tanzbar sind, singt dazu selbst oder holt sich Gastsänger dazu und verliert dabei zu keinem Zeitpunkt den roten Faden – die Emotion – aus den Augen. So holt man den Pop in den Club.
Keytracks: Everything, Burning Bright, Comfort
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06. Pet Shop Boys – Electric
Bereits ein Jahr nach dem eher ruhigen Elysium reichen Neil Tennant und Chris Lowe den Nachfolger nach. Womit die meisten nicht gerechnet hätten: Electric ist neben der Rückkehr auf den Dancefloor auch die Rückkehr zur Form. So direkt Tracks wie der Instrumental-Opener Axis auch nach vorne ziehen, so subtil betreibt Tennant seine textlichen Spielereien. „Love is just a bourgeois construct / so I’m giving up the bourgeoisie“ schlussfolgert er im besten Tracks des Albums, um gegen Ende kleinlaut nachzuschieben: „until you come back to me“. Pop und Diskurs, Tanzbein und Gehirn. Wer das so gut zusammenbekommt, schafft es auch, eine Anti-Kriegs-Hymne von Bruce Springsteen zu einer reflektiven Nummer über die Veränderungen im Leben eines schwulen Mannes innerhalb der letzten dreißig Jahre umzukontextualisieren.
Keytracks: Love Is a Bourgeois Construct, Axis, The Last to Die
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05. Austra – Olympia
Auf ihrem zweiten Album entfernen sich Austra ein Stück weit vom Goth-Pop ihres Debüts zu Gunsten von Heterogenität. Nach wie vor bilden tanzbare Beats die Grundlage für die Tracks der Kanadier, doch im weiteren Aufbau werden synthetische von organischen Sounds gestützt; hier gibt es neben Synthesizern auch Percussions und Bläser. Katie Stelmanis‘ Opern-trainiertem Tenor wird durch ihre im Ausdruck eher mädchenhafte Stimme der Raum für Verletzlichkeit geboten und trotz der Dichte der Tracks findet sie immer wieder einen Weg durch das Dickicht. Zusammen mit einigen erinnerungswürdigen Melodien und den wunderbar pointierenden Backingvocals der Lightman-Zwillinge entsteht so das am besten durchkomponierte Album des Jahres.
Keytracks: Home, Painful Like, What We Done?
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04. Lady Gaga – Artpop
Die Aversionen gegenüber den lange Zeit größten Popstar unserer Zeit wandelten sich mit ihrem Image. Anfangs noch als das nächste blonde Popdümmchen abgetan, musste schon bald auf den Vorwurf der Prätension ausgewichen werden. Auf Artpop, ihrem dritten Album, ist Gaga nun smart genug, um sich beides zunutze zu machen. Sie entfernt sich vom Hymnen-Pop von Born This Way und schielt wieder stärker auf den Dancefloor; die Beats sind rabiater als je zuvor, die Arrangements nehmen mehr als einmal die Hintertür anstelle des offensichtlichen Weges und die Protagonistin baut reichlich Pop-Klischees vollkommen unironisch in ein Gesamtkonzept ein, das die Vereinigung von Kunst und Pop fordert, ohne sich um ihre Banalität zu kümmern. Es ist wahr, dass sich Lady Gagas Konzept mit dieser Platte erschöpft haben könnte. Doch die Zäsur findet nicht mit dem ersten Ton Artpops statt, sondern nach dem letzten.
Keytracks: Venus, Aura, Do What U Want
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03. Lorde – Pure Heroine
Wer etwas über die neuseeländische Sängerin Lorde lesen möchte, wird unweigerlich über den Namen Lana Del Rey stolpern. Müßig wäre es, die Gemeinsamkeiten abzustreiten. Sie sind so unverkennbar wie sie oberflächlich sind. Doch außerhalb der Klangwelt erschöpfen sich die Gemeinsamkeiten schnell, Del Reys regressive Tendenzen teilt Lorde nicht. Viel mehr gibt sie dem Pop der Stunde den Überbau, den er verdient. Ihre Texte sind gegenwärtig, vermeiden Eskapismus und begegnen der obligatorischen Teen Angst clever und eloquent, ohne sie zu verklären oder zu verdammen. Pure Heroine ist ein Album von einem Teenager – Sie ist Jahrgang 1996 – für Teenager. Es ist ein Pop-Album in der wohl klassischsten Funktion, die ein Pop-Album einnehmen kann, und bietet dabei das Update, das ebendieses Prinzip gebraucht hat. Kein anderer Pop-Act war 2013 so nah am Zeitgeist wie Lorde.
Keytracks: A World Alone, 400 Lux, Royals, Buzzcut Season
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02. Bosnian Rainbows – Bosnian Rainbows
Mithilfe der Butcherettes-Sängerin Teresa Suárez überwindet Omar Rodriguez-Lopez den Split von The Mars Volta, indem er durch den Post-Punk zum Pop findet. Eine unerwartete Entwicklung für den virtuosen Gitarristen, der sich hier vom Perfektionismus bis zum unkonventionellen Arrangement eigentlich die meisten seiner Trademarks erhält, sie aber viel mehr in den Dienst des Songs stellt. Noch immer verliert er sich mehrmals im Raum, doch das Fundament der Bosnian Rainbows lebt davon, die beiden Welten Formalismus und Unvorhersehbarkeit zu transzendieren.
Keytracks: Morning Sickness, Worthless, The Eye Fell in Love, I Cry for You
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01. Jon Hopkins – Immunity
Während sich aus der Ferne ein dumpfer Beat nähert, hören wir Jon Hopkins seine Tür aufsperren und schließen. Ist die Türe erst einmal zu, befindet man sich in einer Klangwelt, der es sich nur schwerlich entziehen lässt. Hopkins baut maschinelle, klinisch klingende Beats, die so manches Mal eher nach Küchengerät klingen denn nach Drumcomputer und kontrastriert die Kälte dieses Settings mit einer höchst emotionalen Dramaturgie, die sich durch das ganze Album zieht, sodass es unmöglich wird, Immunity als etwas anderes zu begreifen denn als Gesamtwerk. Zuweilen ist es tanzbar, zuweilen geht es speziell in seinen Piano-Interludes auf Distanz, doch nie ist es beliebig oder gefühlslos. Der Soundtrack zum besten Film, der nie gemacht wurde.
Keytracks: the whole damn thing
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Alben
- Jon Hopkins – Immunity
- Bosnian Rainbows – Bosnian Rainbows
- Lorde – Pure Heroine
- Lady Gaga – Artpop
- Austra – Olympia
- Pet Shop Boys – Electric
- Maya Jane Coles – Comfort
- Tegan and Sara – Heartthrob
- Yo La Tengo – Fade
- Future Bible Heroes – Partygoing
Tracks
- Austra – Home
- Lady Gaga – Venus
- Bosnian Rainbows – Morning Sickness
- David Bowie – The Stars (Are Out Tonight)
- Jon Hopkins – Immunity
- Tegan and Sara – Closer
- Lorde – Buzzcut Season
- Daft Punk – Get Lucky
- Maya Jane Coles feat. Karin Park – Everything
- Bosnian Rainbows – Worthless
- Janelle Monáe feat. Miguel – Primetime
- Foxygen – San Francisco
- Blood Orange – Chosen
- Lady Gaga – Aura
- Tristen – Goldstar
- Pet Shop Boys – Love Is a Bourgeois Construct
- Yo La Tengo – Is That Enough
- Vampire Weekend – Step
- My Bloody Valentine – New You
- Torres – Don’t Run Away, Emilie