Pete Shelley. 1955-2018

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Vor ungefähr zehn Jahren, es war mein letztes Schuljahr, schmiedete ich einen perfekten Plan. Seit Monaten hörte ich rund um die Uhr die Buzzcocks – ich halte sie heute noch für eine der fünf besten Gitarrenbands, die es je gab -, da wurde eine Europatour angekündigt. Die Freude wich der Ernüchterung, als ich sah, dass nur ein Termin in Deutschland angesetzt war. Hamburg. Ein ziemlich weiter Weg aus der Oberpfalz. Noch dazu unter der Woche. Shit. Doch dann dämmerte es mir. Dieser Dienstag, an dem sie spielen, da ist doch die Probewoche für das Sommerkonzert der Schule. Jene Zeit also, wo die Absenz jedes in Big Band oder Chor musizierenden Schülers von Lehrern mit einem schulterzuckenden „Ist wohl beim Proben“ akzeptiert wurde. Also kaufte ich mir ein Ticket, tauchte nur am Montag zum Proben auf, fuhr am Dienstag 650km zum Konzert und in der gleichen Nacht wieder zurück. Und Mittwoch schlief ich.

Jetzt ist Pete Shelley von uns gegangen. Mit ihm geht einer der größten Pop-Songwriter dieser Welt. Die Buzzcocks haben einen Ruf als Singles-Band und sie haben zwischen 1977 und ’80 auch einen der besten Single-Runs der Popgeschichte hingelegt. Und doch griff mir das immer zu kurz. Man muss nur einmal die B-Seite der A Different Kind of Tension-LP auflegen, um nachvollziehen zu können, was ich meine, aber auch Songs wie „Everybody’s Happy Nowadays“ oder „Why Can’t I Touch It?“ strafen diejenigen Lügen, die die Buzzcocks nur für Pop-Punk-Hitlieferanten hielten. Für die Buzzcocks schrieb und sang Shelley aber auch einfach perfekte Popsongs wie „What Do I Get?“, „Love You More“ oder natürlich „Ever Fallen in Love (With Someone You Shouldn’t’ve)?“, als Solokünstler begab er sich auf elektronische Pfade und brachte den Groll der BBC über sich, weil er die Frechheit besaß, mit einem Song über Homoerotik einen Hit zu haben („Homosapien“).

Mit einer Träne im Auge möchte ich mich noch selbst zitieren, aus meinem Buzzcocks-Text im Damaged Goods-Buch, ehe Pete selbst das letzte Wort haben soll, indem er uns einen seiner perfekten Popsongs vorträgt. Es ist mein liebster.

Wie durch Zufall stößt Shelley in seinen Geschichten zwischen Lust und Einsamkeit auf eine Philosophie hinter der Melancholie, in der er dann das passende Ventil findet, um den Zorn des Punk in Pop-gewordenen, reflektierten Weltschmerz zu übersetzen. Natürlich führt dieser Reflexionsprozess nicht zum Glück, sondern – hier wird schließlich mit den Prämissen des Punk operiert – zur Aussichtslosigkeit. „There is no fun in England’s dreaming“ hatten die Sex Pistols gesungen und so beenden die Buzzcocks selbst einen euphorischen Song über das Frischverliebtsein wie „Love You More“ nicht mit dem erträumten Happy End, sondern mit dem Schnitt einer Rasierklinge.

So long, Pete. And thanks for everything.

Und hier geht es zur Abschiedsplaylist auf Spotify.

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