Der letzte Teil des Jahresrückblicks 2012: Die besten zehn Alben. Die Grundspielregeln: Es zählen nur Studio-Alben, keine Live-Alben, keine Compilations, auch keine Archivaufnahmen und Neuaufnahmen von altem Material. Es zählt das erste Veröffentlichungsdatum, egal in welchem Land. Da ich diesen Blog privat und alleine betreibe, ist mein Aktionsradius beschränkt. Das hier ist eine One-Man-Show, der dadurch, dass ich von Downloads wenig halte, neben zeitlichen auch noch finanzielle Riegel vorgeschoben sind, und dass es neben aktuellem Material noch mehrere Jahrzehnte Popmusik gibt, die entdeckt werden wollen, hilft der Sache auch nicht weiter. Sei es drum: Es sind in etwa 60 Alben, aus denen ich für diese Liste schöpfen kann. Aus diesen ergibt sich die folgende Top-10 der besten LPs des Jahres 2012. Bei den Keytracks habe ich nur solche verlinkt, die nicht bereits in der Videos– oder Tracks-Liste vertreten waren, und nur einen pro Album. Zum Countdown:
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10. Graham Coxon – A+E
Auf seinem bereits achten Soloalbum bewegt sich Graham Coxon nach dem Folk-Album The Spinning Top wieder zurück in elektrische Gefilde: Auf A+E jagt er Gitarren-Riffs durch eine dezent elektronische, chaotische Landschaft, bricht aber nie mit dem Charakter des schüchternen Soundtüftlers, der schon zu Blur-Zeiten zu seinem Trademark wurde.
Keytracks: Seven Naked Valleys, City Hall, What’ll It Take
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09. Chairlift – Something
Auf ihrer zweiten LP ist Chairlifts Songwriting zielstrebiger, die Melodien griffiger und über allem stehen die charismatischen Vocals von Caroline Polachek, die in ihrer Flexibilität die Dramaturgie der Platte fast im Alleingang tragen. Finest Electropop.
Keytracks: Sidewalk Safari, Take It Out on Me, Amanaemonesia
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08. First Aid Kit – The Lion’s Roar
Dass Konservativismus im Pop nicht immer etwas schlechtes sein muss, bewies 2012 niemand so sehr wie First Aid Kit. Die schwedischen Schwestern spielen innovationsarmen Country-Folk, schreiben aber so gute Songs und singen so schöne Harmonien, dass das Traditionsbewusstsein, das sich im Namedropping von Emmylou am offensichtlichsten zeigt, niemandem zum Vorwurf gemacht werden sollte.
Keytracks: Emmylou, The Lion’s Roar, Blue
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07. Beth Jeans Houghton and the Hooves of Destiny – Yours Truly, Cellophane Nose
Yours Truly, Cellophane Nose ist ein Album, das dem abgenutzten Art-Pop-Begriff tatsächlich gerecht wird. Beth Jeans Houghtons Debüt-Album ist so einiges, nur eines sicher nicht: voraussehbar.
Keytracks: Liliputt, The Barely Skinny Bone Tree, Atlas
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06. Sharon van Etten – Tramp
Von der Künstlerin selbst als „Eigentherapie“ bezeichnet, ist Tramp eine klassische Singer/Songwriter-Platte mit hervorragenden Pop-Melodien und einer gebrochenen Erzählerin. Ein nahegehendes Break-up-Album.
Keytracks: Leonard, All I Can, Give Out
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05. Beach House – Bloom
Bloom setzt da an, wo das Meisterwerk Teen Dream aufgehört hat, und erweitert es um dickere Schichten. Beach House setzen hier mehr als je zuvor auf Sound und bleiben die führende Größe im gegenwärtigen Dream Pop.
Keytracks: Myth, Wild, Wishes
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04. Grimes – Visions
Die Querspitze einer Bewegung, bei der man sich immer noch nicht darauf einigen kann, wo genau zwischen Witchhouse, Chillwave und sonstwo man sie jetzt einordnen soll. Was Visions so faszinierend macht, ist die raffinierte Weise, wie hier gegensätzliche Elemente aus Twee, Goth und Electronica zusammengeführt werden, sowie die herrlich chaotischen Wendungen, die die Platte mehr als einmal nimmt.
Keytracks: Genesis, Oblivion, Be a Body
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03. Kendrick Lamar – good kid, m.A.A.d city
good kid, m.A.A.d city erzählt eine Coming-out-of-Age-Story in Compton. Die Vorliebe fürs Storytelling teilt Kendrick Lamar sicher mit dem oft für Vergleiche herangezogenen Nas, sein Verständnis der LP als in sich geschlossenes Gesamtwerk ist jedoch noch stärker. Die unaufgeregte Produktion, die atmosphärischen Beats und Lamars beachtlicher Flow tun ihr übriges zu einer der überzeugendsten Platten des Jahres.
Keytracks: Swimming Pools (Drank), Money Trees, Sherane a.k.a. Master Splinter’s Daughter
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02. Fiona Apple – The Idler Wheel Is Wiser Than the Driver of the Screw and Whipping Cords Will Sever You More Than Ropes Will Ever Do
Auf zehn Tracks begleiten wir Fiona Apple auf ihrer eigenen Reise des gelebten Wahnsinns. In seiner spärlichen Instrumentation, immer wieder gebrochen durch oft perkussive Ausbrüche, gewinnt The Idler Wheel… seine beklemmende Wirkung, im Gesang reißt sie den Hörer immer wieder aus seiner Komfortzone. Ein beeindruckendes Comeback und Apples Karrierehighlight.
Keytracks: Every Single Night, Hot Knife, Jonathan, Werewolf
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01. Marina and the Diamonds – Electra Heart
Mit der Kunstfigur Electra Heart schuf Marina Diamandis die Voraussetzung, um das von der Ambivalenz von Ruhm und Glamour durchzogene Versprechen ihres Debütalbums einzulösen. Electra Heart bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Mainstream-Pop und Indie-Reputation, und ist dabei ein deutliches Statement für ersteren. Es ist das Album, das dem Pop die über weite Strecken abhanden gekommene Subversion zurückgibt, es ist so sehr Teil des Pop wie es seine Tricks zwischen den Zeilen angreift, es umarmt und seziert ihn zugleich. Damit ist es die konsequente Weiterentwicklung dessen, was 2010 den ersten Marina-Hype überhaupt erst losgetreten hatte.
Keytracks: Teen Idle, Bubblegum Bitch, Power and Control, Fear and Loathing